Auch dieses Jahr hat die Buchmesse in Leipzig wieder gezeigt: es wird gelesen! Bücher sind unverzichtbar für die produktive Auseinandersetzung einer Gesellschaft mit sich selbst, mit den Themen, die sie beschäftigen, den Tabus, für die eine Sprache erst gefunden werden muss. Die Vielzahl an gegenwärtigen Krisen und die aufgeheizten öffentlichen Debatten erfordern es mehr denn je, den Zustand unserer Welt mit Abstand zu reflektieren, in gedruckte Worte zu fassen und Zusammenhänge offen zu diskutieren. Und die Leipziger Messehallen sind im Frühjahr DER Ort dafür, sie bilden das Epizentrum des literarischen Geschehens im Land. Lesehunger und Wissensdurst sind unablässig groß – nirgends wird das so sichtbar wie auf dieser Buchmesse, die – obwohl an den Messetagen die Leipziger Verkehrsbetriebe streikten! – mit über 280.000 Besucher*innen zeigte, dass das Medium Buch nachhaltig von Interesse ist.

Zahlreiche Regierungsvertreter*innen aus Bundes- und Länderebene waren bei dieser Messe anwesend und haben in ihren Reden die Kraft des Buches beschworen. Das ist schön. Das ist wichtig! Doch noch wichtiger wäre es, auch den Realitäten von Verlagswesen und Buchhandel ins Gesicht zu blicken und sich für die Unterstützung gerade der kleinen, unabhängigen Verlage einzusetzen, wenn schon die Bedeutung des Buches für den Erhalt unserer Demokratie so hochgehangen wird. Oft sind es nämlich die kleinen, von wahren Enthusiasten getragenen unabhängigen Verlage, die auch abseitigen und leisen Stimmen Gehör verschaffen, Minderheitenpositionen in den Diskurs holen und für ihre Sichtbarkeit sorgen. Dass einige Verlage sich einen Stand auf der Messe mittlerweile nicht mehr leisten können oder kein neues Programm mehr auflegen können, macht mich betroffen. Wir als offene Gesellschaft brauchen diese Stimmen und müssen bereit dazu sein, diese Verlage nicht nur mit sporadischen Preisen zu würdigen, sondern ihr Wirken kontinuierlich zu unterstützen. Eine strukturelle Verlagsförderung wäre hierfür ein guter Weg. Gleichzeitig müssen wir über andere kulturpolitische Wege nachdenken, die Arbeit unabhängiger Verlage zu unterstützen, denn schließlich bringen sie nicht nur literarische Werke hervor, sondern beschäftigen auch eine Vielzahl von Menschen, die am Prozess von Herstellung und Verkauf eines Buches beteiligt sind. Sie sind damit ebenso ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, was gerne übersehen wird.

Die Leipziger Messe hat mir einmal mehr ins Bewusstsein gerückt: Lesen ist kein Nischengeschehen, im Gegenteil. Das zeigte nicht zuletzt die große Präsenz junger Menschen auf der Messe, was natürlich ebenso auf das Konto der gleichzeitig stattfindenden Manga-Con geht. Doch auch dieses Publikum durchstreift gerne die Hallen mit den Verlagsständen. Und die Tatsache, dass bei der Nutzung des Kulturpasses der Bundesregierung bei den Jugendlichen Buchkäufe an allererster Stelle stehen und fast die Hälfte des Umsatzes ausmachen, lässt auf jeden Fall hoffen, dass Bücher von Belang bleiben.