Buchmesse 2023#lbm23

Was bleibt?

Für mich persönlich die perfekte Betreuung durch den Börsenverein, die geplanten und vor allem die zufälligen Treffen mit Freunden und Bekannten aus der Buchbranche und wie früher schon die wunderbare Erfahrung, dass es immer noch die vielen anderen Buch- und Literaturverrückte gibt, die nicht locker lassen, weiterschreiben, nach den Wörtern und Dingen forschen, reden und diskutieren und die Hoffnung leben lassen. Ja, in den Buchmessehallen weht einen bislang ein bisschen das Pathos an, auf der Suche nach dem Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit (oder nach einem bisschen frische Luft vor den Messehallentüren).

Zwischenbild 1:

Du steigst morgens in die Tram Nr. 16 um zur Messe zu fahren und zwischen den Stationsdurchsagen hörst Du plötzlich Nino aus Wien wunderschöne wienerische Dinge sagen; unter anderem die Einladung obwohl Leipzig wunderschön sei, sich doch auch einmal das schöne Wien anzuschauen. Und einen guten Tag wünscht er.

Die Vielfalt ist bei einem Spaziergang durch die Hallen so wie sonst fast nirgends zu spüren. Große Verlagsgruppen, Kleinstverlage, Autor*innen aller Coleur, Manga (und Merchandise), die hohe Literatur für die Ewigkeit und die Bücher, die schon morgen vergessen sein werden. Diskussionen über Gott, die Welt, Beiläufiges und natürlich der wichtige Tratsch aus der Branche; hitzige Debatten und cooles Herumgestehe und natürlich alles dazwischen oder wie es von Nietzsche hieß: alles gesagt und von allem das Gegenteil.

Und diese Vielfalt ist es, die die Literatur so stark und vor allem so wichtig macht; allein Diktaturen brauchen nur eine Meinung, würgen das produktive Chaos ab, weil nicht absehbar ist, wohin es sich entwickelt. Dabei ist dieses lebendige Durcheinander, nicht Vorherbestimmte die Grundlage für jede Innovation, für alles Überleben. Denn wenn alles so bliebe, wie es immer schon war, würde es nicht bleiben.

Wir brauchen all diese Stimmen, wie die Luft zum Atmen.

Zwischenbild 2

Morgens um 9 Uhr stehen schon die ersten bei der Buchmesse an, um um 10 Uhr eingelassen zu werden. Dann geht es schon mal in das Foyer und um Punkt zehn, wenn schließlich die Ausstellungshallen geöffnet werden, rennen die ersten hinein -: zur Litertatur! (Naja, viele rannten wohl auch zum Zwischenbild 3)

Ein Wort machte dabei auf dieser Messe die Runde: strukturelle Verlagsförderung. 

Gerade die kleinen, unabhängigen Verlage, die dem Neuen und Experimentellen Raum geben, stehen unter immer stärker werdendem wirtschaftlichen Druck. Ihre innovative Kraft zu verlieren würde nicht nur die zukünftige Literatur schwächen, sondern auch unsere demokratische Gesellschaft. Rein wirtschaftlich wird dieser Bereich der Literaturszene aber auf mittlere Sicht nicht mehr zu betreiben sein. So wichtig und schön auch Buch- und Verlagspreise sind, so eignen sie sich nicht für eine längerfristige und verlässlich Planung und Verlagsarbeit. Gäbe es hier eine Förderung, die weitgehend automatisiert auf Grund von klaren und qualitätsorientierten Richtlinien funktioniert, könnte auf lange Sicht der Literaturmarkt gestützt und stabilisiert werden. Der Kulturpolitiker sagt entschieden: Ich nehm das mal mit.

Zwischenbild 3

Signierstunde mit Sebastian Fitzek und am Stand ist die Warteschlange beeindruckend lang; aber erst wenn man die Halle zum Übergang in die nächste Halle verlässt, sind im Außenbereich die eigentlichen Ausmaße der Schlange zu erkennen: Wahnsinn. Und in der Nachbarhalle bei Mona Kasten war der Andrang auch schon sehr erstaunlich.

Was tun?

Kulturpolitik wird sich in der nächsten Zeit entscheiden müssen, wo wir gesellschaftliche Schwerpunkte setzen wollen. Vollmundige Bekenntnisse, wie dieses hier, werden nicht reichen. Letztendlich wir es auch, um es einmal ganz schnöde zu sagen, um Geld gehen.

Zwischenbild 4: 

Auf dem Fußweg zum Bahnhof läuft man (also ich) Ben Aaronovitch in die Arme, man begrüßt sich, hält einen kleinen Schwatz über „fantastic Leipzig“ und wünsch sich weiterhin einen guten Tag – bricht dann zu neuen literarischen Ereignissen auf.

Im Verhältnisse zu anderen gesellschaftlichen Bereichen geht es in der Kultur aber um eher geringe Beträge (einmal von Opernhäusern oder Museumsneubauten abgesehen); sie wirken umso geringer, wenn die positiven gesellschaftlichen Auswirkungen mit eingerechnet werden. Und richtig sinnvoll und bemerkenswert werden die Förderungen, wenn sie auch immer mit kultureller Bildung zusammen gedacht werden, das heißt in Kindergärten, Schulen, Bibliotheken und anderen sozialen Orten immer auch in das Verständnis von Kultur investiert wird.

Das klingt manchmal etwas hochtrabender, als es tatsächlich ist; es geht zum Beispiel um Sprachkitas, es geht gerade unter einem sozialen Aspekt, für alle einen Zugang zu Büchern, digitaler Information zu ermöglichen – und auch unabhängig von den Elternhäusern ein Verständnis davon zu ermöglichen. Buch lesen, Welt verstehen sind noch zwei verschiedene Paar Schuh’ die es durch Arbeit zu verbinden gilt. 

Es geht also, um es ganz utilitaristisch und ökonomisch zu formulieren, darum alle Bürger*innen und alle Schüler*innen zu sinnentnehmendem Lesen, zum Aufnehmen und Verarbeiten von Informationen zu befähigen. Wenn darüber hinaus noch jemand Freude daran entwickelt Gedichte zu lesen oder Kunst zu genießen, wird es unser Leben auch noch schöner und sinnvoller machen.

Gerade unter den Herausforderungen, die uns in nahesteh Zukunft KI generierte Texte stellen werden, wird es für einen sozialen Zusammenhalt (ohne den wir nicht wirklich gut werden leben können) umso notwendiger Information analysieren zu können, zum Beispiel ‚fotografische‘ Bilder einordnen zu können. Die Kategorien wahr/falsch werden sich ganz neu darstellen, in ganz neuen Zusammenhängen erscheinen.

Zwischenbild 5

Dieses Jahr bin ich das erste Mal in der Anna Amalia Bibliothek in Weimar gewesen; ein sehr berührender Moment. Denn obwohl sie nicht sehr groß ist, schafft dieser Raum eine ganz eigene, Rokoko überladene Atmosphäre, in der erfahrbar wird, dass wir mit und in den Büchern über Generationen und Jahrhunderte hinweg gemeinsam im Gespräch sein können … dass wir lernen und kommunizieren können und müssen, über Grenzen hinweg und dass es nie nur ein Buch geben wird, das die Wahrheit enthält.

Herzogin Anna Amalia wäre bestimmt eine begeisterte Besucherin der heutigen Leipziger Buchmesse gewesen … – und mit ihrem Outfit ein unangefochtener Star auf der Manga-Comic-Con!

Was kommt?

Natürlich kommt ein wunderschöner Sommer, in dem wir all die Bücher lesen werden; es kommt der Bücherherbst mit den ganzen Neuerscheinungen, von denen wir uns auch vornehmen werden sie alle zu lesen … und die Frankfurter Buchmesse mit dem Gastland Slowenien (OK, Österreich hat ganz schön was vorgelegt und wir sind gespannt) mit all den Gesprächen und all der Vielfalt … und danach, gar nicht mehr soweit entfernt, die Leipziger Buchmesse 2024 

Schlusseinstellung

Um es mit DER NINO AUS WIEN zu sagen: Ich habe mich so gefreut in Leipzig mit dabei zu sein; und eingedenkend der Arbeitsaufträge – es geht immer um‘s vollenden.