Film
Parlamentarisches Frühstück zur Berlinale: Filmförderung und Fachkräftemangel
by team on Februar 8, 2023 No comments- Die Filmbranche hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Verwertungs- sowie Distributionswege, aber auch unsere Seh- und Nutzungsgewohnheiten haben sich verändert.
- Um den veränderten Bedürfnissen der Branche gerecht zu werden, hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf dem Produzentenempfang im Rahmen der Berlinale einen Eckpunkteplan für die Reform der Filmförderung vorgelegt.
- Der Fachkräftemangel ist in allen Bereichen der Branche spürbar. Auch innerhalb der Branche ist daher ein Wandel bei den Arbeitsbedingungen erforderlich.
Im Rahmen der Berlinale lud die grüne Bundestagsfraktion zum parlamentarischen Frühstück im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestages ein, um mit Michael Sacher, Claudia Roth, Michael Kellner, Dr. Lisa Giehl, Paula Essam, moderiert von Tessa Hart und mit rund 150 Gästen aus der Filmbranche sowie Interessierten über die Situation in der Film- und Kinobranche zu diskutieren. Die von Kulturstaatsministerin Claudia Roth vorgestellten Eckpunkte zur Filmreform stießen bei den Panelteilnehmenden auf breite Zustimmung. Insbesondere, dass Diversität, Geschlechtergerechtigkeit sowie (soziale) Nachhaltigkeit zukünftig als Voraussetzungen für eine Filmförderung benannt wurden, setzt ein starkes Zeichen. Mit den 600 Millionen Euro, die aktuell in die Filmförderung investiert werden, ist auch eine gesellschaftliche Verantwortung verbunden. Soziale und ökologische Dimensionen müssen dabei zusammen gesehen werden.
Paula Essam, Vorstandsmitglied bei Pro Quote Film, betonte, dass paritätisch besetzte Gremien allein nicht das gewünschte Ziel bringen werden. Diversität und Vielfalt müssen auch vor der Kamera zu sehen sein, um aktiv gegen Vorurteile und Stereotype anzugehen. Sie plädierte für eine 50-Prozent-Quote für Frauen in der Filmbranche und eine 30-Prozent-Diversitätsquote, damit auch Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationsgeschichten, Menschen mit LGBTQIA+-Erfahrung Teil der Branche werden können.
Die realistische Darstellung unserer pluralen Gesellschaft ist dabei auch ein wichtiger Schritt, um dem Fachkräftemangel in der Filmbranche zu begegnen. Denn die Geschichten, die wir auf dem Bildschirm sehen, bestimmen, wie die Branche wahrgenommen wird. Wenn sich ganze Gruppen nicht mit den in Filmen und Serien gezeigten Personen identifizieren können, werden diese auch nicht zum Film gehen, erklärte Paula Essam.
Um die Branche für den Nachwuchs attraktiver zu machen, existieren diverse Programme, wie beispielsweise firmeninterne Weiterbildungsmöglichkeiten oder die Option eines dualen Studiums. Oftmals scheitert es jedoch an fehlenden Informationen. Viele junge Menschen wissen gar nicht, welche zahlreichen Ausbildungsmöglichkeiten es beim Film gibt. Lisa Giehl, Executive Vice President Subsidies & Public Policy bei LEONINE Studios, plädierte an die Branche, stärker zusammenzuarbeiten und für sich selbst zu werben. Fast schon schwerwiegender als der fehlende Nachwuchs sei jedoch, dass viele gut ausgebildete Fachkräfte die Filmbranche aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen verlassen. Beruf und Familie dürfe daher auch in der Filmbranche nicht länger ein Widerspruch sein.
Der grüne Bundestagsabeordnete Michael Sacher ist überzeugt, dass der Bedarf an Fachkräften nur mithilfe von Menschen aus dem Ausland gedeckt werden kann. Hierfür braucht es jedoch eine bessere Willkommens- und Integrationspolitik, um Deutschland attraktiver zu machen. In diesem Kontext sprach sich Michael Kellner, Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kultur-und Kreativwirtschaft, dafür aus, dass auch die Bürokratie effizienter werden muss. Es darf am Ende nicht daran scheitern, dass das Visa nicht rechtzeitig erteilt wurde. Unterstützung bei der Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Arbeit finden Unternehmen im Förderprogramm „Willkommenslotsen“, so Michael Kellner.
Das Panel zeigte deutlich, auf wie vielen Ebenen sich die Filmbranche in einem Wandel befindet. Die in der Branche existierende Einigkeit, dass es eine grundlegende Überarbeitung der Filmförderung braucht, muss nun auch auf parlamentarischer Ebene genutzt werden, um gemeinsam die Filmreform zielgerichtet umzusetzen und den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu begegnen.
Panelteilnehmende:
Michael Sacher MdB
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion
Claudia Roth
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und Abgeordnete des Deutschen Bundestages
Michael Kellner MdB
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Beauftragter der Bundesregierung für Mittelstand sowie
Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft
Dr. Lisa Giehl
Executive Vice President Subsidies & Public Policy bei LEONINE Studios
Paula Essam
Vorstandsmitglied von Pro Quote Film, Schauspielerin, Drehbuchautorin
Moderation: Tessa Hart
Kulturmacher*in – Performance, Film und Soziokultur
Reform der Filmförderung
by admin on Januar 16, 2023 No commentsDas Filmförderungsgesetz (FFG) hat das Ziel die deutsche Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films zu stärken. Konzipiert wurde es als Solidarsystem. Alle Wirtschafts-zweige, die vom Film profitieren, sollen in den Fonds der Filmförderungsanstalt (FFA) einzahlen. Förderungen aus dem Fonds sind an eine Kinoauswertung gebunden.
Doch die Rahmenbedingungen rund um das Kino und den Kinofilm haben sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Die Digitalisierung verändert stetig Produktionsweisen und Vertriebsstrukturen der Filmbranche, die Pandemie beschleunigte den Prozess und setzt vor allem die Kinos unter Druck, die monatelang geschlossen waren. Für eine lebendige und wirtschaftlich funktionierende Kinokultur brauchen wir neben kommerziell erfolgreichen Mainstreamfilmen auch ungewöhnliche und innovative Filme, bei denen sich Kreativität und künstlerische Freiheit nicht indirekt einem wirtschaftlichen Druck unterordnen.
Der überwiegende Teil der von der FFA geförderten Filme erreicht eine kaum wirtschaftlich erfolgreiche Zielgröße und bleibt weit hinter den allgemeinen Erwartungen national wie international zurück. Das Fördersystem bringt beim Spagat zwischen antizipiertem wirtschaftlichem Erfolg und kreativ-künstlerische Qualität zu viel Mittelmaß hervor.
Der Schwerpunkt der Förderung auf den Produktionsprozess führt zu Quantität statt Qualität.
Die Masse an Inhalten führt dazu, dass viele Filme in kurzen Zeitfenstern im Kino laufen, was wiederum den Zuschauendenzahlen abträglich ist. Durch die ans Kino gebundene Auswertung sind Filme im Kino zu sehen, obwohl nicht jeder Stoff für das Kino gemacht ist und deren Auswertung auf anderen Wegen erfolgreicher wäre. Diese Erkenntnis ist angesichts der Tatsache, dass viel Geld seitens Bund und Länder bereitgestellt wird, unbefriedigend.
Zugleich existiert ein Geflecht aus Fördergremien und anderen öffentlichen sowie privaten Geldgeber*innen, sodass die Entscheidungsprozesse oftmals langwierig und intransparent sind. Die meist geringen Fördersummen erfordern zudem häufig eine Förderkumulation und führen zu einem logistisch aufwändigen, unökologischen sowie künstlerisch oft fragwürdigen „Fördertourismus“.
Um qualitativ hochwertige Filme zu entwickeln und zu produzieren, sowie die Kinowirtschaft und den Film- und Medienstandort Deutschland zu fördern braucht es daher – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – einer grundlegenden Überarbeitung der Filmförderung, die Transparenz, Rechtssicherheit, finanzielle Planbarkeit, internationale Vergleichbarkeit, kreative Prozesse sowie eine bürokratische Entlastung in den Mittelpunkt stellt.
Im Rahmen einer umfassenden Reform der Filmförderung, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Entzerrung von Wirtschafts- und Kulturförderung
- Entwicklung eines filmpolitischen Konzepts, dass die Filmförderungsinstrumente von Bund und Ländern aktualisiert und harmonisiert mit dem Ziel einer gesamtheitlichen Filmförderstruktur
- Prüfung von steuerlichen Anreizmodellen und/oder Investitionsverpflichtungen
- Umfassende Evaluation der gesamten Filmbranche, in welcher die Auswirkungen der Digitalisierung, der Marktveränderungen und der Pandemie auf die Branche untersucht werden
- Etablierung fairer, sachgerechter und transparenter Entscheidungswege
- Bessere Förderung von Drehbuch- und Stoffentwicklung
- Bessere Förderung von Fachkräften sowie des Nachwuchses
- Stärkung von Diversity, Geschlechtergerechtigkeit, Barrierefreiheit sowie Nachhaltigkeit beim Film
- Sicherung des Kinos als Kulturstandort